Hilfseinsatz „DOLAKHA“ >> Wintersachen für die Erdbebenopfer << Nepal, Januar 2016 Wir sind zurück aus den Bergen. Unsere Aktion war erfolgreich. Es war eine wundervolle Erfahrung. Diese möchten wir gerne mit Euch teilen, daher im Folgenden nun unser Einsatzbericht für Euch:
Kathmandu, Do. 08.01.2016
05:45 Der frühe Vogel schnappt den Rucksack, steigt auf den Roller und sammelt das Team ein. Drei auf einem Roller ist seit der Benzin-Krise offiziell erlaubt. Mit mir ist Anastasia. Wir sind uns zwei Abende zuvor am Kamin einer Bar begegnet. Sie kommt aus Südafrika und lebt im Oman. Die Reise nach Nepal war mit ihrer Schwester geplant, doch etwas ging schief bei der Abreise, so dass sie am Ende alleine ankam, mit doppelt Gepäck, ohne Plan, ohne Kenntnisse wie der nepalesische Hase läuft und ohne die leiseste Ahnung wie kalt es sein würde im Januar in Kathmandu. Sympathie auf den ersten Blick, also lade ich sie direkt ein, mit uns zu kommen. Dieser Einsatz ist eine perfekte Kombination aus so vielen Dingen, die dieses wunderschöne und dabei sehr arme Land ausmachen, dass sie an nur zwei Tagen so viel sehen wird wie sonst in einer Woche.
06:30 Ankunft Lincoln College, Bus fertig packen, Tee zum Frühstück und Abfahrt. >>>> on the road: Der Bus ist voll, die Studenten sind gut drauf, ihr Projekttag hat begonnen. Durch den Zusammenschluss mit dem Lincoln College hatten wir keine Kosten für den Transport und durch ihren Aufruf mehr Hilfsgüter zum Verteilen. Super viele Winterklamotten, vorsortiert in männlich/weiblich und abgepackt in 150 Tüten. Dazu die 150 Decken, die wir mit Green Shiva und der Koop. mit der Kushi Foundation kaufen konnten sowie eine Kiste Medikamente. Das Dorf ist soweit in den Bergen, dass selten jemand vorbei kommt. Die Auffahrt ist beschwerlich und mühsam. Zwischendurch müssen wir tanken und dazu eine Stunde lang Schlange stehen. Dann hat der Bus mechanische Probleme, wir bleiben stehen und das technische Verständnis der Jungs ist gefragt. Nach der erfolgreichen Reparatur geht es weiter bergauf, Schlängellinie um Schlängellinie immer um den Berg herum. Die Straße ist ein unwegsamer Pfad. Ein steiniger Weg, der nur jeweils für ein Fahrzeug reicht mit ein paar Ausweichtaschen, was jedes Mal spannend ist, wenn ein anderes Fahrzeug von vorne auf uns zukommt. Ausweichen nach rechts ist nicht. Der Abhang ist so steil, es würde den Fall bedeuten. Kushboo, Präsidentin der Kushi Foundation, erzählt mir aufgrund meiner besorgten Nachfrage, dass es täglich Unfälle gibt und Busse den Berg runterfallen… Unser Fahrer ist sehr sorgsam, später erfahre ich, er ist den Weg zum ersten Mal gefahren. Was noch mehr für seine Fahrkünste spricht. Dennoch gut, dass die Info nicht vorher kam. Je höher wir kommen, desto mehr Schäden des tragischen Bebens sind zu sehen. Geröll auf den Straßen, kaputte Häuser etc. Die Menschen leben in Blechhütten seit der Tragödie. Hütten aus Wellblech, die meist direkt an den engen Straßen gebaut sind. Das ist puristisches Leben. Ganz rudimentär. Die Armut ist sehr präsent. Nichts außer dieser Hütte, die zwar vor Wind schützt und Erdbebensicher ist, aber rein gar nichts gegen die Kälte tut. Wie kalt es nachts dort oben in den Bergen ist, werden wir später noch erfahren.
16:30 Ankunft im Bergdorf Lapilang / word 7 (Dolakha District*1)
Nach 10 Stunden Fahrt erreichen wir endlich unser Ziel. Das ganze Dorf wartet schon auf uns. Wir laden ab und werden freundlich begrüßt. Die Studenten sind gut organisiert. Sie haben einen Lautsprecher + Mikrophon mit gebracht und die Earthquake Victim-Identity Card*2 von jedem Bewohner, so dass wir einem nach dem anderen mit den so dringend benötigten warmen Sachen der Reihe nach ausstatten können. Sie tanzen und singen vor Freude. Als jeder sein Paket hat und am Ende ein paar Güter zur freien Verfügung übrig bleiben, wird es trotz guter Orga dennoch ein wenig chaotisch. Verständlich, jeder versucht noch ein bisschen mehr mit in seine Hütte zu nehmen. Das ist Darwins Gesetz. Auch das kriegen wir geregelt und verlassen glücklich und freudestrahlend das Dorf. Mittlerweile ist die Sonne untergegangen, es wird kalt und wir sind nach dem langen Tag und der anstrengenden Fahrt super müde. Wir erreichen schließlich unsere Unterkunft: ein Hotel aus Wellblechhütten. Nachdem wir unser Abendessen über dem Feuer zubereiten „Barbecue“, sitzen wir um das Feuer und lauschen der Gitarre eines Studenten. Meine Augen brennen stark von dem Rauch des Feuers, so sehr, dass sie tränen und ich stelle mir vor, wie es für die Familien sein muss, die täglich Feuer entzünden, um sich zu wärmen und ihr Essen zu zu bereiten. Im schlimmsten Fall beides in derselben kleinen Hütte, in der sie auch schlafen. Die Nacht, die jetzt folgt, ist so mega kalt, dass wir nicht daran glauben, schlafen zu können, trotz zwei Decken und Dach über dem Kopf. Wir organisieren Wärmflaschen, in Form von heißem Wasser in 5l-Kanistern, und ich bestelle „warm wine“ und kläre meine Zimmergenossinnen in Sachen Glühwein und Weihnachtsmarkt auf. Alle im Zimmer, wir waren statt den geplanten drei dann final fünf, haben zuvor noch nie etwas von warmen Wein gehört ☺ Beide Vorkehrungen lassen uns dann wohl gewärmt einschlafen, so dass wir pünktlich um 7 zur Abfahrt bereit stehen.
Dolakha 08.01.2016
07:00 Tee und Abfahrt
Bevor es zurück nach Kathmandu geht, steht auf dem College Programm noch der Besuch eines sehr wichtigen Tempels der Region. Es ist ein Hindu Tempel, welcher der bedeutendste der Umgebung ist. Als im Epizentrum alles zu Bruch ging, als die Erde so stark bebte, dass um die 10.000 Menschen ihr Leben verloren, blieb der Tempel ganz. Kein Riss, keine Schäden, keine Zerstörung. Das macht ihn natürlich umso heiliger für alle Gläubigen. Man sagt, dass der Tempel blutet und auch schwitzt. Diese Zeichen werden dann entsprechend gedeutet. Ich habe rote Farbe auf dem Boden gesehen, Herkunft unklar. Doch sicher keine Blut, das aus einem Stein kommt. Als wir gerade den Tempel verlassen, den wir nur mit Socken betreten und die meisten Schüler fertig sind mit ihren Ritualen, laufen zwei Hindu an uns vorbei mit einer soeben geopferten Ziege. Die gelebte Religion gehört hier zum Alltag dazu. Diese Projektreise lässt uns viel vom Land sehen und über die Kultur erfahren.
10:00 Rückfahrt
Aufgrund der Benzinkrise nehmen wir immer wieder Menschen vom Straßenrand ein Stück des Weges mit uns. Die Regierung hat seine Landsleuten dazu angehalten, dass zu tun, solidarisch zu sein. Natürlich nehmen wir mit, wen wir können, auch wenn das massive Einschränkung an Platz bedeutet. Ich muss den Platz wechseln, weil mir alles weh tut so gequetscht wie ich seit Stunden sitze. Während dessen ist das kleine süße Mädchen – vielleicht drei Jahre alt – so reisekrank von diesem permanenten Busgewackel aufgrund der Off-Road Straße der Mountains, dass sie erbricht, und zwar genau auf meinen Rucksack… Es hat sich genau in dem Moment bezahlt gemacht, dass ich damals für unser Afrika-Abenteuer einen wasserfesten gewählt habe. Von daher, Schwamm drüber! Ich kann mittlerweile sogar unterwegs an den Raststätten essen ohne krank zu werden. Was sich nur nach wie vor bemerkbar macht, ist die Höhe. Alle Bewegungen kosten mich mehr Energie, so dass ich schneller ausgepowert und müde bin.
17:15 Ankunft in Kathmandu
Zu spät um pünktlich 17:00 Uhr bei der indischen Botschaft zu sein, um mein Visum abzuholen. Aber weil Vorsicht besser Nachsicht ist, habe ich diese Verspätung einkalkuliert (denn wenn eins sicher in Nepal ist, dann dass nichts sicher ist) und Tashi vor Abreise meine Quittung und Geld übergegeben. Somit war alles save und unser Delay kein Problem. Mit einem Taxi geht es dann zurück in meine Hood. Kathmandu ist groß, doch es gibt einen Bezirk, der fühlt sich an wie ein kleines Dorf. Und als uns der Taxifahrer genau dort absetzt, freue ich mich genau dort wieder zurück zu sein. Und über mein Zimmer, über mein Bett, über jede Minute Strom und mit ihm schwingend Licht und Internet, über meinen ganzen Koffer voll von Klamotten und über fließend Wasser. An dem Abend sogar warm zu meiner unsagbar großen Freude. Ich dusche ungelogen und ganz egoistisch eine ganze halbe Stunde, so gut tut dieses wärmende Wasser meinem Körper. Vorausschauend entscheide ich aufgrund des immer heißer werdenden Wassers, gleich meine Haare mit zu waschen (denn kaltes Wasser auf der Kopfhaut ist super unangenehm, gerade bei langen Haaren und viel nötigen Wasser zum Ausspülen). Clever denke ich, was sich ganz schnell ändert als ich feststelle, dass der Strom wieder weg ist und ich nun mit nassen Haaren raus muss in die Kälte zum Essen. So you always better think twice, in Kathmandu! Dieser Einsatz hat mich erneut dankbar sein lassen, fuer die Dinge, die ich mein eigen nennen kann und fuer die Dinge, die mein Leben einfach machen wie verfuegbarer Strom, Waerme und Wasser 24/7, immer parat, wenn ich diese elementaren Dinge brauche. Das ist wirklich Luxus und wir sind uns so wenig darueber bewusst. Lasst mich final eine kleine Anekdote einfuegen: Auf dem Rueckweg kaufte ich ein Kinderueberraschungsloeffelei als Dessert nach dem traditionell nepalesischen Mittagessen (Dal Bat = Reis, Kohl, Curry, Suppe, Fleisch nach Wahl oder Veggie). Es war anders als erwartet, wie es immer ist in Nepal, anders als erwartet. So, das Spielzeug, was in der anderen Haelfte war, war eine Trillerpfeife, die ich in meine Tasche steckte mit dem Gedanken, sie einem Kind zu schenken, das mir in passenender Gelegenheit begegnen wuerde. Zurueck in Kathmandu City, erzaehlte ich den Jungs von der Pfeife und sie sagten: Behalte sie! Sie kann dein Leben retten. Ich fragte: Warum? Und sie klaerten mich ueber die Funktion auf: Nach dem starken Erdbeben im April riet die Regierung offiziell jedem eine Trillerpfeife zum Schutz mit sich zu fuehren, dass fuer den Fall, dass ein neues Beben die Stadt und das Land erschuettert, und ich verschuett gehen sollte, ich die Pfeife nutzen wuerde, um mich bemerkbar zu machen unter den Truemmern und somit gefunden und gerettet zu werden. Seit dem gehoert diese rosa Plastikpfeife zu meinen Handtaschenrepertoire. Because, you never know.
Ich möchte mich an dieser Stellen nochmals von ganzem Herzen bei allen Herzensmenschen bedanken, die meinem Aufruf gefolgt sind und damit diesen Hilfseinsatz möglich gemacht haben:
Jan Karsten, Anja, Melda, Winne, Caro, Anne, Anton, Andreas&Daniel, Sina, Frau L., Anja K., Tim, Blanda, Anja G., Betty, Anja H., Nadine, Kathrin, Tony, Monique, Sebastian, Peggy, Julia, Norman, Bettina, Gordon, Kathrin L., David, Alexander und Julia!!!
Danke ebenso an die KUSHI FOUNDATION und an die Studenten des LINCOLN COLLEGE
Das Beste ist, das aufgrund der Kooperation und eines Spendeneingangs darüber, wir somit einen zweiten Einsatz fahren können. Das nächste Projekt – dank eurer Hilfe – wird nach meiner Rückkehr aus Indien stattfinden. Die Orga läuft bereits. Wir werden nach Haibung / Sindupalchok fahren, in das Dorf, in dem wir planen eine Schule wieder auf zu bauen. Wir haben einen Anruf erhalten, dass Decken und Jacken vorhanden sind, jedoch Winterschuhe für die Kinder fehlen. Ein paar Schuhe kostet zwischen 4 – 6 € umgerechnet. Der Bedarf ist bereits ermittelt. Wir haben die Größen von 135 Kindern übermittelt bekommen. Außerdem wollen wir Socken kaufen, denn die Kinder tragen aktuell nur ihre Sommer-Flip Flops. Wenn möglich kaufen wir auch noch Wollmützen, je nach Budget. Wer fühlt, uns dabei zu unterstützen, kann das gerne tun. Abfahrt ist fuer den 20.Januar geplant. So let me know > ist das Epi-Zentrum des dramatischen Bebens am 25.04.2015 gewesen und damit – neben Sindupalchok- am meisten betroffen.
*2 EQ-Victim-Identity Card >> Der Staat hat jedem stark betroffenen Bewohner einen Ausweis angefertigt, dass Hilfsorganisationen bei der Verteilung genau wissen, wer bedürftig ist.